Newsletter Sabine Richter /November 2023

Begleitung im Mensch-Sein
 
Als ich vierzehn Jahre alt war hatte ich für das Jahr 1979 einen Tageskalender, mit täglichen Sprüchen zur Besinnung.
Und für einen Tag war der Satz:


„Es muss Menschen geben,
welche die Tiefe unseres Wesen kennen
und auf uns schwören,
selbst wenn die ganze Welt uns verlässt.“
                                             (Karl Gutzkow)

Sofort wusste ich: „Das will ich sein!“
Und so begann ich, mir Gedanken darüber zu machen, was das wirklich meint:
Den Menschen in seiner Tiefe zu erfassen, seine innersten Beweggründe zu erkennen und vor allem zu verstehen. Und auch das Eigene zu erkunden und sich als ein Wesen der Tiefe zu erleben, anstatt ein Mensch zu sein, der nur dem Zweck der Geld- und Kindervermehrung dient.

Meine Schullaufbahn war ohnehin schon im sozialen Zweig vorgebahnt und somit glitt ich leicht in die Welt der hoffnungsvollen „Menschenversteher“ ein. Dass dort niemand Menschen in der Tiefe verstand, wurde mir bald klar. Doch das ist eine andere Geschichte und nur die Vorbedingung für das, was ich später einmal entwickeln wollte.

Wie ich schon öfter erzählt habe, hat mein Großvater in Nürnberg die theosophische Gesellschaft mitbegründet. Eine damals geheime Splittergruppe der Anthroposophischen Bewegung, die vor allem in der NS-Zeit verboten war. Meine Mutter wurde in weiten Teilen anthroposophisch erzogen und die Ehe meiner Großeltern war auf diese Weise sehr liebevoll geprägt. Es war also für mich kein großer Spagat, diese Arbeit, die ich heute mache, auf den Weg zu bringen.

Damals mit vierzehn jedoch, wusste ich noch nichts davon. Nicht einmal, dass mein Großvater ein Anhänger Steiners und der medialen Bewegung war und er die Channelings von Blavatsky las und hörte, war mir bewusst. Ich lernte einfach von meiner Mutter, dass Tiere ebenso wie Menschen sind und Pflanzen mit uns sprechen. Und dass es für alles einen tieferen Grund gibt, war auch stets die Lektion zu allen schwierigen Situationen.

So war meine Kindheit. Denn mein Vater, der seine Mutter mit fünf Jahren verlor und dann sein Vater in den Krieg zog, war selbst ein sehr geprüfter Mensch und unterstützte die liebevolle Welt meiner Mutter und Großeltern. Er war selbst mit der Natur verbunden und wusste sehr viel über Pflanzen, Tiere, Landwirtschaft und Gartenbau.

„Jedes Tierlein hat sein Essen, jedes Blümlein trinkt von Dir. Hast auch mich noch nie vergessen! Lieber Gott, ich danke Dir!“
Das war meine erste Lektion von Verantwortungsbewusstsein jeder Kreatur gegenüber. Und es war mir schon im Kindergarten wie eine Selbstverständlichkeit, dass jeder der hat, auch etwas zu geben hat. Und ich hatte Nahrung, Glück und Liebe im Überfluss. Gewusst habe ich das vielleicht nicht als Kind. Aber ich erinnere mich noch heute an Situationen, wo mich unfaires Verhalten empörte und ich mit diesen Kindern wenig anfangen konnte. Eine einzige Freundin hatte ich, die mich verstand. Sie war arglos, so wie ich und wir waren uns einig, dass wir „so gemein“ nie sein wollten. Nicht mal so gemein, wie unsere Kindergartentante.

Kurz und gut, der Weg, Menschen im Sein zu begleiten und die Entwicklung zum integrativen Leben war von vorneherein geebnet. Damals wusste ich nicht, wie unheimlich hoch der Preis dafür sein werden würde. Doch auch das ist eine andere Geschichte.

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